Neulich hatte ich einen Traum. Ich war zu Gast in einem Podcast mit Mauler, Critical Drinker und all den anderen Essayisten und laberte vor mich hin.
Und dann wachte ich auf und dachte: Hey … das ist gar nicht so dumm. Also lasse ich euch an meinen Gedanken teilhaben.
Das Business
Also: Ihr seid ein Schriftsteller, ihr habt ein Studium absolviert, viel gejobbt und hart trainiert, um ein guter Autor zu werden. Es ist euer Traum, Filmdrehbücher zu schreiben, also geht ihr nach Hollywood – wo sonst könnte man als Drehbuchautor international erfolgreicher werden?
Ihr habt also ein Drehbuch oder werdet beauftragt, eines zu schreiben. Ihr setzt euch hin und gebt alles, der erste Entwurf ist Mist, hat aber viel Schönes und nach ein paar Wochen habt ihr ein wirklich gutes Drehbuch für einen Blockbuster: Spaß, Unterhaltung, aber auch herzergreifende, bittersüße Momente – das perfekte Filmerlebnis.
Dann kommt der erste Vertreter des Studios und streicht alles raus, was nicht im Budget ist.
Ihr müsst das Drehbuch also umschreiben. Kein Problem – es funktioniert nicht ganz so flüssig wie zuvor, aber ihr schafft es, den Kern der Geschichte zu bewahren, schließlich bist du ein professioneller Geschichtenerzähler.
Es lebe die Marktforschung
Dann kommen die nächsten Vertreter des Studios: Die Gleichstellungsbeauftragte prüft alles auf politische Korrektheit. Der Marktforscher möchte alles im Skript haben, was bei Test-Vorführungen, Meinungsumfragen und anderen Filmen gut ankam, und umgekehrt alles löschen, was den Leuten nicht gefällt.
Ihr sollt euer Drehbuch mehr und mehr ändern, anpassen, selbst Kernelemente der Geschichte werden gnadenlos gestrichen. Aber trotz aller Hindernisse schaffst du es, eine solide Geschichte aus den verbleibenden Trümmerstücken zu machen und darauf bist du stolz – zurecht!
Post-Produktion: Einmal durch den Schredder
Dein Job ist getan. Ab jetzt beginnt die Produktion. Was du nicht weißt: Mit ein paar fragwürdigen Casting-Entscheidungen, werden Elemente der Handlung ad absurdum geführt.
Nachdem die Dreharbeiten abgeschlossen sind, landet deine Geschichte in der Post-Produktion: Und dort nimmt das Studio gehörig Einfluss: Szenen werden gelöscht, die Reihenfolge wird verändert.
Nach ein paar Testscreenings, ruft dich das Studio an, um die Dialoge für Reshoots zu schreiben, die überhaupt keinen Sinn ergeben.
Und am Ende bleibt von deiner Geschichte nur ein verstümmeltes Monster, das mit dem ursprünglichen Skript keine Ähnlichkeit mehr hat – aber dein Name steht dort als Autor.
Und als du das nächste Mal ein Skript anbietest oder nach einem neuen Auftrag suchst, sehen die Leute deinen Namen bei IMDB und dass du das Drehbuch zu diesem furchtbaren Film geschrieben hast. Du vergehst vor Scham.
Wer bleibt übrig?
Wer würde unter solchen Bedingungen arbeiten wollen? Welcher Drehbuchautor mit Integrität macht dieses Prozedere mehr als einmal mit? Ich denke: Nicht so viele. Schließlich kann man als cleverer Schriftsteller viele Jobs finden, die weniger rufschädigend sind: Marketing, Buchautor, Theater, Streaming-Services, Journalismus …
Aber wer bleibt dann in Hollywood noch übrig? Es sind diejenigen, die Tippen können, aber nie Schreiben gelernt haben. Für die Schreiben keine Kunst ist, sondern die nur nach Checkbox vorgehen.
Die nie gelernt haben, sich selbst zu reflektieren, um besser zu werden. Die nicht wissen, dass 80 % von allem, was man schreibt, für die Tonne ist. Die alles, was sie schreiben, für pures Gold halten, weil es die Mindestanforderungen erfüllt und die Studios glücklich macht. Sie schreiben nach Schema: Malen nach Zahlen für Autoren.
Gute, integre Autoren haben Hollywood verlassen. Und das merkt man.
Wenn das Fundament brüchig ist, bricht das Haus zusammen
Das Schreiben ist der erste und einfachste Arbeitsschritt bei der Filmproduktion. “Einfach” in dem Sinne, dass das Schreiben die wenigsten Ressourcen erfordert: All die Leute im Nachspann fangen erst mit ihrer Arbeit an, wenn es ein Skript gibt. Und für die Erstellung eines Skripts braucht es nicht mehr als Stift und Papier und ein cleveres Gehirn. Vielleicht auch einen Writers Room, aber selbst das ist im Vergleich zur Gesamtproduktion eines Blockbusters ein verschwindend kleiner monetärer und personaler Aufwand.
Wenn man teure Produktionen sieht, wo selbst ICH sage, das hätte ich besser schreiben können, dann ist der Film einfach scheiße.
Das Schlimme ist: Dem Großteil der Menschen ist es egal. Sie sehen bewegte Bilder und schalten ihr Gehirn aus. Wie bei dem Baby mit dem Schlüssel reicht ihnen stupide Beschallung als Unterhaltung. Sie wollen nicht denken, nicht fühlen, nicht reflektieren. Und deswegen machen Studios Geld mit schlechten Filmen.
Herzlichen Glückwunsch: Wir sind in der Fahrenheit 451 Ära der Unterhaltung angelangt.