In diesem Blogbeitrag habe ich gesagt, dass ich nichts von Faustregeln beim Schreiben halte. Wenn ich daher nach Tipps gefragt werde, reagiere ich eher zurückhaltend. Die einzigen Ratschläge, die ich zum Thema Schreiben geben kann, sind darum eher allgemein.
Erst mal: Frohes neues Jahr! Ich habe den Jahreswechsel mit einem frischen Nasenbruch eingeläutet (die klassische Formel: Alkohol + Balance halten = FAIL). Außerdem heirate ich kommenden Freitag. Meine Hoffnung war, dass ich auf den Bildern aussehe wie ein Panzerknacker oder Waschbär, aber leider hat sich gar kein schlimmes Hämatom gebildet. Mittlerweile sehe ich wieder vollkommen normal aus. Schade.
Nun zu meinen Schreibtipps:
Tipp 1: Distanz zum Produkt
Texte sollen in aller Regel veröffentlicht werden – damit setzen wir sie der Bewertung und Kritik der Öffentlichkeit aus. Jeder Schreiber sollte darum so früh wie möglich das Mindset entwickeln, dass der Text nicht sein “Baby” ist, das man im Schweiße seines Angesichts gezeugt hat, sondern ein Produkt. Und Produkte können gefallen oder nicht. Wie es in Bewerbungen so schön heißt: “Darin liegt keine Abwertungen Ihrer persönlichen Fähigkeiten.”
Problem: Mangelnde Distanz zum Text führt dazu, dass jede Kritik am Text plötzlich als Kritik/Beleidigung an der eigenen Person interpretiert wird. Im schlimmsten Fall kann dadurch die Lust am Schreiben insgesamt gefährdet werden.
Lösung: Es ist eine Frage der Professionalität: Entwickelt eine professionelle Einstellung zu eurem Text. Ihr kreiert ein Produkt, dass ihr einer bestimmten Zielgruppe verkaufen möchtet. Dieses Produkt kann schlecht sein, oder aber auch sehr gut, dafür aber an die falsche Zielgruppe geraten. Egal wie gut der Text ist, von manchen Seite wird es immer etwas daran auszusetzen geben – das ist völlig normal.
Ihr habt mit Sicherheit mal ein Buch gelesen, das euch nicht gefallen hat. Erinnert euch an eure Gefühle: Habt ihr dabei Hass oder Wut gegenüber dem Autor empfunden? Hattet ihr das Bedürfnis, ihn so sehr zu beleidigen, dass er sich in den Schlaf weint? Nein. Es war halt ein unbefriedigendes Produkt. Punkt. Wenn der Leser also keinen weiteren Gedanken an euch verschwendet, warum solltet ihr seine schlechte Rezension dann persönlich nehmen?
Wer dazu nicht willens ist, soll seine Texte nicht veröffentlichen.
ACHTUNG: Ich sage nicht, dass ihr schlechte Kritiken / Rezensionen ignorieren sollt, im Gegenteil. Gerade mit diesen müsst ihr euch intensiv auseinandersetzen. Wägt ab, ob die Kritik gerechtfertigt ist, welche Anmerkungen Hand und Fuß haben, und was ihr davon verwenden könnt, um das Produkt zu verbessern oder um es bei zukünftigen Texten zu berücksichtigen. Ihr sollt euch nur nicht persönlich angegriffen fühlen, nur weil jemand etwas schlechtes über eure Texte sagt.
Das sagt sich so leicht, ist aber nicht leicht in die Praxis umzusetzen, wenn einem die Erfahrung fehlt. Seid nicht verzweifelt, wenn die erste negative Kritik so richtig schmerzt. Das muss wehtun, denke ich. Distanz zu den eigenen Texten zu entwickeln ist ein Prozess, ähnlich wie Beziehungsfähigkeit. Um sich wirklich gut auf eine Beziehung einzulassen, muss einem erst mal so richtig das Herz gebrochen worden sein. Um sich von seinem Text abzunabeln, muss man erst mal ein paar schmerzhafte Rezensionen über sich ergehen lassen, bis man zu der Erkenntnis kommt, dass Kritiken / Rezensionen keine persönlichen Beleidigungen sind.
Ich habe das Glück, dass ich beruflich schreibe. Ich bin auf ehrliches, direktes Feedback angewiesen, denn weder ich noch die Firma haben etwas davon, wenn schlechte Texte veröffentlicht werden, die beim Kunden nicht die beabsichtigte Wirkung erzielen – nur um mein Ego zu schonen.
Sucht also aktiv nach Kritik – je ehrlicher, desto besser.
Tipp 2: Schreibblockaden
Ich habe die Theorie, dass ein Großteil der Schreibblockaden von strukturellen Problemen im Text verursacht werden. Natürlich gibt es noch andere Auslöser, wie emotionale Blockaden usw. Mein Tipp beschränkt sich lediglich auf diese Struktur-Probleme. Ich bin der Ansicht, dass die Geschichte dem Autor mitteilt, wie sie geschrieben werden möchte – kommt es zu einer Blockade, hat man sich in eine Sackgasse verrannt.
Problem: Ihr habt also einen Text und plötzlich geht nix mehr – ihr könnt nicht weiterschreiben, obwohl ihr eigentlich alles durchgeplottet habt und auf der Roadmap genau sehen könnt, was eigentlich passieren soll – oder ihr arbeitet ohne vordefinierten Plan, die Handlung fließt aber trotzdem plötzlich nicht weiter.
Lösung: In beiden Fällen probiert bitte, den Text aus der Meta-Perspektive zu betrachten und euch folgende Fragen zu stellen:
- Ist die Szene, an der es hängen bleibt, wirklich nötig? Kann man sie anders aufziehen? Sollten andere Figuren involviert sein?
- Ist der Plot, wie ihr ihn geplant habt, unbedingt erforderlich, oder kann er abgewandelt werden?
- Was wären alternative Szenarien?
Nehmt die Bausteine und Szenen, aus denen eure Geschichte besteht, und sortiert sie um, kombiniert sie neu, fügt neue hinzu und testet einfach aus, was sonst noch geht. Dadurch nehmt ihr eine neue Perspektive zum Text ein und entdeckt dadurch neue Potenziale und Lösungen, die euch vorher verborgen geblieben sind. In der Regel sollten die kreativen Ströme danach wieder fließen. Scheut nicht davor zurück, Plots umzuplanen oder ganze Passagen neu zu schreiben. Texte sind nicht in Stein gemeißelt, sondern immer im Fluss.
Dieser Tipp muss nicht allen nützen, aber die Erfahrung hat gezeigt, dass ich mit diesem Tipp einigen Autoren in meinem Umfeld helfen konnte. Einfach mal testen, vielleicht klappt’s danach wieder mit dem Schreiben.
Tipp 2: Kenne dich selbst
Jeder arbeitet anders, darum weiß jeder selbst am besten, wie er sich austrickst, um motiviert zu bleiben.
Falls ihr das (noch) nicht wisst, bedarf es genauer Selbstreflexion. Probiert aus, wann ihr besonders motiviert arbeitet und versucht Situationen zu kreieren, die diesen Zustand begünstigen.
Beispiel: Ich weiß, dass ich genau dann besonders kreativ bin, wenn ich prokrastiniere. Wenn irgendwelche Aufgaben mich nerven, muss ich meine kreative Energie in Seitenprojekte auslagern.
Mein Problem: Wenn das kreative Projekt selbst zu Arbeit wird, muss ich dieses wiederum prokrastinieren – wie z. B. aktuell bei Sileon Episode 2 … der wahre Grund, warum ich diesen Beitrag schreibe. Seit Anfang November ist das Manuskript vom Lektor zurück. Nathi hat gnadenlos alles aufgedeckt, von dem ich dachte “Ach, das merkt niemand”. Sie hat es gemerkt, alles. Darum ist sie auch die Beste.
Das bedeutet allerdings: Arbeit. Um diese Arbeit zu vermeiden, habe ich diverse kreative Kleinstprojekte angefangen. Meinen Urlaub, den ich eigentlich dazu reserviert hatte, das Manuskript vollständig zu überarbeiten, habe ich stattdessen mit einem ausgiebigen, völlig übertriebenen Frühjahrsputz verbracht.
Meine Lösung: Ich muss mir eine Aufgabe suchen, die noch blöder ist, als die intensive Textüberarbeitung von Episode 2. Dadurch erhoffe ich mir, dass meine kreative Prokrastinationsenergie wieder in Sileon fließen kann. Ich hoffe, ich schaffe es bis April.
Egal, erst mal einen neuen Blogbeitrag geschrieben! Jetzt bleibt mir wirklich nichts anderes mehr übrig, als an Sileon weiterzuarbeiten … Aber erst mal putze ich die Fenster – so kann hier ja keiner arbeiten. 😉
Ich hoffe, diese Schreibtipps können dem ein oder anderen helfen. Viel Erfolg!